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ISFRID KAYSER

 

ein Marchtaler Komponist  aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.

 

Öffentlich gehaltener Vortrag anläßlich der ersten Wiederaufführung der „3 Parthiae“ nach ca. 200 Jahren am 13 April 1986, ungekürzt erschienen 23. April 1986 in der Schwäbischen Zeitung Ehingen

 

Der Ehinger Pianist und Klavierlehrer Wolfgang Weller gab kürzlich im Munderkinger Rathaussaal ein Konzert mit Werken von Isfrid Kayser, die „Parthien" hatte Weller selbst für die Aufführung in einen verwendbaren Klaviersatz transponiert. Weller schilderte außerdem das Leben Kaysers und nannte Eigenheiten seines Komponierens. Im Folgenden druckt die Schwäbische Zeitung Ehingen die Ausführungen Wellers ungekürzt ab.

„An den Liebhaber der edlen Clavier-Kunst. Thales, der weise Griech, findet in Erhaltung seines Begehrens eine Süße, der nichts vermag gleichzukommen; hingegen eine von ihrem Zweck entfernte Begierd hat etwas an sich, so Aristoteles lieber will einen Schmerzen, als eine Lust nennen. Wann nun gegenwärtiges Musicalisches Wercklein zu verfertigen sehr vielfältig bin angegangen und ersuchet worden; hatte ich fast eine Nothwendigkeit, mich dieser Arbeit zu unterziehen, sofern nicht wollte der begehren­den Freunden und Bekannten Lust in einigen Unlust, und Mindervergrügen abgeändert se­hen. Folglich habe dieses mit göttlicher Beyhülff zu Stand gebracht, der getrösten Hoff­nung, das Angedencken der darbei gehabten Mühe werde durch der Clavier-Liebhabern günstigen Beyfall gewiß einiger massen versüsset werden. Zum Muster habe mir eine Methode erkiesen, die dem Ruhm eines großen Clavier-Meisters letzt verflossene Jahr ein nahmhafftes beyleget. Bin ich diesem edlen Muster nahe oder gleich kommen, wovon günstige Kenner urtheilen mögen, so habe mir von gleich geneigtem Beyfall und Begnehmung zu schmeicheln. In Erfolg dessen nicht ermanglen werde, den so nutzlich als edlen Clavier-Lust mit noch fernerem gleichen Vorrath zu nähren; massen des Nächsten Nutzen und Vergnügen zu dienen für jederzeitiges Augenmerck gehabt. Lebe wohl!"

So lautet das zierliche Vorwort unseres Komponisten zu seinen drei Parthiae. Die verschnörkelten Wendungen, die liebenswürdige Ironie der Sprache des Meisters bildet eine stilistische Einheit mit seiner Musik und sicherlich auch mit seiner Persönlichkeit.

Wenn Isfrid Kayser Begriffe wie „Erhaltung des Begehrens", „Lust" und „Unlust" gebraucht, so meint er nichts anderes, als was Johann Mattheson in seinem sieben Jahre vor den Parthien, nämlich 1739 erschienenen Buch „Der Vollkommene Kapellmeister" folgendermäßen ausdrückt; „Weil nun die Instrumental-Music nichts anders ist, als eine Ton-Sprache oder Klang-Rede, so muß sie ihre eigentliche Ab­sicht allemahl auf eine gewisse Gemüthsbewegung richten, welche zu erregen ... wol in Acht genommen werden muß." Allerdings war der Begriff der Ton-Sprache für das damalige Musikdenken, für das allgemeine musikalische Bewußtsein noch eine leichte Ungeheuerlichkeit. Rousseau etwa nannte die reine Instrumental-Musik schlankweg „Plunder". Instrumentalmusik galt grundsätzlich als nichtssagend und unberedt, wenn nicht ein vorausgeschicktes Programm, oder besser, eine Sinngebung ihr eine Rechtfertigung gab. Und das, obwohl die Emanzipation der Instrumentalmusik bereits weit fortgeschritten war und schon Calvisius in seiner „Melopoiia" 1602 feststellte, daß Musik auch ohne Text Macht habe, die Leidenschaften zu rühren.

Bekannt sind jedem Klavierspieler die gewaltigen Titelüberschriften etwa der Werke J. S. Bachs, die klar Sinn und Zweck und Nutzen klarlegen; z. B, das „Wohltemperirte Klavier": „...zum Nutzen und Gebrauch der lehrbegierigen musicalischen Jugend etc." Auch Isfrid Kayser unterwarf sich noch dieser Tradition und nannte sein Werk „Concors Digitorum Discordia”. Der Begriff “Concors discordia” findet sich bereits als Werktitel des österreichischen Komponisten Benedikt Anton Aufschnaiter (1665 - 1742). In der Rhetorik bedeutet er die Darstellung von Gegensätzen in auffallender Nebeneinanderstellung. Hier ein pointiertes Wortspiel; übersetzen wir es frei mit „Einheit der Darstellung durch saubere Fingertrennung”. Dies deutet auch auf einen lehrhaften Zweck der hin, zumal der Untertitel hierin bestätigt: „In discipulorum aeque, ac Instructorum usum & utilitatem elaboratae" (zum Gebrauch von von Schülern und Lehrern ausgearbeitet). Sollte der Titel nicht nur aus Mode oder Konvention oder aus Gründen der Verkaufsförderung gewählt worden sein, sondern in der Tat das didaktische Konzept herausstellen, dann hat es Kayser in seiner Musik gut verstanden, dies zu verheimlichen. Denn an Etüde, Ãœbung, trockenen Nutzen gemahnt uns beim Hören seiner Musik nichts.

Wer war nun dieser liebenswürdig-ironische, geistreiche und anscheinend etwas widersprüchliche Isfrid Kayser?

Am 13. März 1712 wurde Kayser in Türkheim an der Wertach geboren und auf die Namen Laurentius Antonius getauft. Sein Vater war Schulmeister und Organist des Ortes; der junge Kayser war also schon in früher Kindheit mit der Musik bekannt. Der Vater legte Wert auf eine solide Bildung und schickte den ungefähr zehnjährigen Knaben nach München zum Bruder am dortigen Jesuiten-Gymnasium, der sicher das Beste aus dem Neffen machen wollte. Laurentius lernte hier vor allem die vollkommene Berherrschung der lateinischen Sprache bis hin zu Rhetorik und Poesie, damit gleichzeitig das antike Bildungsgut in seiner Bedeutung für eine christliche Weltanschauung. Gelehrt wurde ausschließlich in lateinischer Sprache; eine weitere Übung war die Aufführung lateinischer Schuldramen. Hinzu kamen aber auch die aktive Beherrschung des Griechischen in Deklamation und Reden, römische und griechische Geschichte, Theologie, Hebräisch, Chronologie, Mythologie, Philosophie und Mathematik. Vorbilder waren in der Theologie Thomas v. Aquin, in der Philosophie Aristoteles und in den Humaniora Cicero.

Daneben nahm Kayser Orgelunterricht bei seinem Onkel, und er hat sicher auch eine stimmliche Ausbildung genossen, um im Schülerchor mitwirken zu können; doch ist darüber nichts Genaues überliefert. Über seine damalige Münchner Zeit steht in seinem Nachruf: „Er durchlief das Gymnasium mit allem Lob. Dabei bliesen die Orgelpfeifen, welche zu beleben er vorzüglich verstand, ihm selbst Lebenskräfte zu."

Nach Abschluß der Schule trat Kayser dem reichsunmittelbaren Prämonstratenserkloster zu Marchtal bei und erhielt nach Aufnahme den Klosternamen Isfrid nach dem gleichnamigen Prämonstratenser-Bischof aus Ratzeburg, der Wasser in Wein verwandelt haben soll. 1732 erfolgte die Profeß auf den Kanonikerorden und 1737, nach Abschluß der notwendigen weiteren theologischen Ausbildung, feierte er Primiz.

Zu jener Zeit wurde an Klöstern und Höfen Oberschwabens mit großem Eifer musiziert. Zwar wurden Gesang, Orgelspiel und Orche­stermusik zunächst in den liturgischen Dienst gestellt, doch wurde auch ausgiebig weltlich musiziert. Die oberschwäbischen Prämonstratenser brachten nämlich von ihren Reisen zu den Generalkapiteln in Paris Höreindrücke und sicher auch Noten etwa der Arien von Philidor, Gossec, Gretry und vielen anderen Komponi­sten mit, die sich mit den damals in Mode ge­kommenen „Comedies en vaudeville" oder „Comedies melees flariettes", also Stegreifkomödien unter Anspielung auf Tagesereignisse, beschäftigten. Diese Eindrücke müssen um die Jahrhundertmitte bereits assimiliert gewesen sein und haben sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Vertonung der Schulkomödien durch Kayser ausgewirkt.

 

Memminger Ochsenwirt, Rousseau und Schikaneder

 Die Bedeutung des französischen Einflusses auf unsere Gegend läßt sich am Beispiel des Ochsenwirtes Reineck von Memmingen ermessen: Er machte in Frankreich eine Kaufmannslehre, ließ in Lyon eine von ihm komponierte Oper aufführen und erregte die Aufmerksam­keit Rousseaus, der Reinecks Oper in Paris zur Aufführung verhelfen wollte. Dreißig Jahre später war Reineck immer noch Komponist und Wirt des Weißen Ochsen in Memmingen und sollte durch die Bekanntschaft mit Schikaneder, dem Textdichter Mozarts, unsterblich werden. Denn dieser nahm Reinecks „Lied eines Vogelstellers" mit nach Wien und benutzte es für die „Zauberflöte": die Musik blieb unverändert, jedoch der Text wurde neu gefaßt, so, wie ihn jetzt Papageno singt. Bemerkenswert in dieser Bei­spielsammlung schwäbischer Musikbeziehungen zwischen Paris und Wien ist auch Sixtus Bachmann, der fünf Jahre vor KaysersTod 1766 mit Mozart auf der Orgel wetteiferte, ehrenvoll bestand und 1771, im Todesjahr Kaysers, den Prämonstratensern Marchtals beitrat.

Isfrid Kayser nun wurde ein Jahr nach seiner Primiz, also 1738, vom Abt Ulrich dispensiert und kam nach Ulm zum damaligen Münsterorganisten und Musikdirektor Conrad Michael Schneider. Dieser Mann sollte entscheidend werden für Kaysers musikalische Entwicklung. Wir lesen im Vorwort zur Messe op. II von 1743: „Den Fortschritt, wenn nicht gar den Anfang meiner Orgelkunst schreibe ich deinem Wohlwollen zu." Und nicht nur für das Orgelspiel, sondern auch in der Komposition wurde Schneider zum Vorbild für Kayser. So findet sich bereits im zweiten Teil der sechsteiligen Klavierübung Schneiders jener 5/8-Takt, den wir vorhin im Passepied der ersten Kayser'schen Parthia vernommen haben; und es ist zu vermuten, daß Kayser mit seiner Bemerkung im Vorwort „Zum Muster habe mir eine Methode erkiesen..." seinem Lehrer die Ehre erwiesen hat. In jener Ulmer Zeit bis 1740 hat Kayser aber auch noch einen weiteren Gönner in dem nachmaligen Abt Michael Kühn gehabt, was mit seiner musikalischen Tätigkeit für das Augustinerchorherrenstift bei der Ulmer Wengenkirche zusammenhängt. Dieser Michael Kühn wird in einer den drei Parthien vorange­stellten lateinischen Ode des Verfassers u.a. folgendermaßen gerühmt: „Daß ich unter den Musikern einen Namen habe, verdanke ich Dir. Deiner Fürsorge verdanke ich dies, Du bist die Fackel meines Geistes." Wirklich muß Kühn ein adäquater Geist gewesen sein; er förderte Wissenschaft und Kunst, verschaffte dem Kloster eine Vielzahl guter Bücher und schrieb eine Geschichte des Wengen-Klosters in lateinischer Sprache.

Nach Beendigung seiner musikalischen Fortbildung kehrte Kayser um 1740 nach Marchtal zurück und hatte von nun an, wie in den Schwäbischen Akten zu lesen ist, „den Posten des Chordirektors inne als gar strenger Kritiker der Musiker." Kayser muß sehr klare Vorstellungen von Musik gehabt haben; jedem seiner Werke stellte er ein Vorwort voran mit aufführungspraktischen Erläuterungen und Vorschriften. Die Notwendigkeit dazu ergab sich aus der Neuheit der musikalischen Vorstellungswelt, wie er selbst bemerkt: „Methode facili et moderna elaborata" (leichte, gefällige Art, moderne Ausarbeitung). Die revolutionäre Neuheit eines 5/8-Taktes haben wir schon er­wähnt, es kommt aber in den drei Parthien noch ein neues formales Element hinzu: die einzelnen Sätze knüpfen sowohl an die traditionelle Suite als auch an die Sonatenform an, wenn auch die zweite Themengruppe noch nicht deutlich getrennt wird. Nach allem muß man Kayser zu einem musikalischen Avantgardisten seiner Zeit rechnen, bei dem die allerneuesten Ideen auf fruchtbaren Boden fielen: die neufranzösische Leichtigkeit und Eleganz, die revolutionären rhythmischen Erfindungen Schneiders und die neuen Formen etwa in Giovanni Plattis 1742 in Nürnberg erschienenen Sonaten.

Im Gegensatz zur Avantgarde unserer Tage verlor Kayser jedoch nie die Verbindung zu sei­nen Hörern. Dazu aus den „Schwäbischen Akten": „Ein Stil, mit der Würde der Kirche in höchstem Einklang, der Majestät des Tempels angemessen." Dieser Satz aus dem Nachruf wird ergänzt durch eine Aussage, die beweist, daß die neue Musik nicht nur einfach gerne gehört wurde, sondern sogar besonders willkommen war: „Unsere Kanonie verdankt Isfried die Form einer gepflegteren Musik, nachdem er die allzu ungeschlachte, alte und bleierne Form gänzlich beseitigt hatte."

Zwischenzeitlich war Kayser von 1741 - 1743 noch abgelenkt durch das Amt eines Pfarrhelfers im angrenzenden Dorf Obermarchtal, konnte sich dann aber vollständig seinem Schaffen widmen, so daß die Jahre bis 1746 in frucht­barer Intensität die Werke op. 2 bis 4 hervor­brachten, u.a. jenes op. 4 der drei Parthien, die 1746 bei Rieger in Augsburg erschienen sind.

 

Theatermusik für die Universität Dillingen u.a.

 Der Hauptstiftungszweck des Prämonstratenserordens war die Seelsorge, und weil Klosterbrüder alle gleich sind, fiel auch die hohe Begabung Kaysers dieser Gleichheit zum Opfer: er wurde ab 1747 sechs Jahre lang Pfarrhelfer im vorderösterreichischen Städtchen Munderkingen, als Beauftragter und Vertreter der Gerechtsame  des Klosters. Man muß für Kayser also den Widerspruch zwischen religiöser Sendung, institutionellem Auftrag und künstlerischem Wollen festhalten. Dieser Widerspruch wurde insofern gemildert, als er Kompositionen für die Institutionen schrieb, wie z.B. die Musikpartien zu den Schulkomödien des Klosters, Offertorien, die er in Ulm drucken ließ, Theatermusik für die Universität in Dillingen und die Prämonstratenser in Mönchsroth (heute Rot a.d. Rot). Immerhin wurde er für diese sich ab 1749 häufenden Kompositionsaufträge auch or­dentlich honoriert und erhielt auch Zahlungen aus dem Verkauf seiner gedruckten Werke, de­ren Drucklegung in Ulm er meist persönlich überwachte. Auch als Mäzen muß er aufgetreten sein, denn es ist überliefert, daß er ein in Munderkingen aufgeführtes Passionsspiel oder -bild mit 30 Kronen unterstützt hat. Den vielleicht letzten Auftrag aus Wengen erhielt er 1753, seinem letzten Jahr als Pfarrhelfer in Munderkingen. Inzwischen hatte nämlich Wengen selbst einen hervorragenden Kompo­nisten vorzuweisen: Pater Josef Lederer.

Auch nach Ehingen sind Beziehungen nachzuweisen, wo er der Aufführung von Schulkomödien beiwohnte, vermutlich seiner eigenen, die er von den Gymnasiasten in Generalprobe aufführen ließ.

Nach den künstlerisch ertragreichen Munderkinger Jahren trat nun mit der Versetzung in die Pfarrei Seekirch am Federsee eine mehrjährige Schaffenspause ein. Den Grund verstehen wir, wenn wir seine Aufgaben anhand von Heiligenrechnungen nachlesen: „Im einzelnen hatte Pater Isfrid der Gerechtsame seiner Pfründe zu wahren und vor Übergriffen zu schützen, für eine geordnete Ablieferung der Zehnten Sorge zu tragen, die Kirchenbücher zu führen, die Polizeigewalt zu handhaben, gegen Aberglauben und Mißbräuche einzuschreiten und sie abzuschaffen, die Kirchenzucht in der üblichen Strenge auszuüben und Gottesdienst und Seelsorge einzurichten."

Erst 1756 wird wieder Musisches berichtet, u.a. pflegt Kayser Beziehungen nach Biberach, wohin er viermal reiste und drei Proben beiwohnte; ob eigener Stücke, ist nicht überliefert. Auch bemühte er sich, die Gottesdienste in See­kirch auf seine Weise zu verschönern, indem er z.B. auch einmal eine Sängerin engagierte.

Von 1758 -1760 finden wir Kayser als Pfarrhelfer in Kirchbierlingen; wo er, den unzähligen Getreiderechnungen nach zu urteilen, der Kornmeister gewesen sein muß.

Von 1761 -1767 war Kayser immer Pfarrhelfer bzw. Pfarrer abwechselnd in Munderkingen und Sauggart. Nichts Musikalisches wird mehr erwähnt, die Handschrift der Rechnungen wird immer zittriger und unentzifferbarer, er macht eine Tretkur in Ulm, konsultiert häufig Ärzte und schluckt Medikamente, ißt nur noch Geflügel und Fisch. Trotz des sich zunehmend ver­schlechternden Gesundheitszustandes unternimmt Kayser immer noch Reisen nach Ulm, Innsbruck und München, besucht seine geistlichen und leiblichen Brüder in Schussenried, Rot, Zwiefalten und Mittelbiberach.

Nach Ehingen reist er viermal im Jahr zu Barbier Pindl, um sich zu Ader zu lassen. Den Blutverlust ersetzte er dann mit Rebenblut. Wie nötig der Wein für ihn war, kann man in den Rechnungen nachlesen, in denen unter der Überschrift „Recreation" steht: „Wein für mich tempore compositorum". Oder er schreibt: „Extra wein, die Lebensgeister zur Komposition zu erhalten." Er trank aber auch gerne in Gesellschaft, wie er selbst bezeugt, mit anderen Geistlichen und bevorzugte Burgunder- und Bodenseeweine. Außerdem war er ein leidenschaftlicher Würfler und Kartenspieler. Einmal notiert er: „verschiedene mahlen in die zäch verspihlet." Er war aber auch wohltätig, verschenkte seine alten Kleider an Arme, weil er sich für seine Reisen und Auftritte jedes Jahr einen neuen Sommer- und Winterhabit anfertigen lassen mußte.

Wegen seiner angeschlagenen Gesundheit und des vorgerückten Alters wurde er 1767 mit 55 Jahren ins Kloster zurückberufen, zum Subprior berufen und hatte als solcher die Aufsicht über die Konventualen zu führen. Sein letztes Amt war ab 1770 die Küchenpräfektur; „am Schluß zeigte er sich als strenger Küchenpräfekt zwischen Schüsseln und Kochtöpfen", wird im Nachruf vermerkt. Im selben Jahr erlebte er noch den Besuch der vierzehnjährigen Marie-Antoinette am l. Mai „in dem Reichsstift Marchtall in Schwaben, in dem sie die Nachtruhe zu nehmen gnädigst beliebte". Zu diesem Anlaß schrieb Kaysers Freund und Mitkonventuale Sebastian Sailer ein Festspiel mit dem Titel „Beste Gesinnungen schwäbischer Herzen", welches, wie auf dem Titelblatt zu lesen ist, „in einer einfältigen Cantate abgesungen wurde, in der vier Untertanen des Bauernstandes ihre Huldigung darbrachten, wobei sie sich auch mit devotestem Respekt über die Frondienste beklagten". Ob die zugehörigen Arien und Chorsätze von Kayser stammen, ist nicht überliefer aber wahrscheinlich. Kayser vertonte nämlich öfter Gedichte von Sailer. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: „Wenn Sailers Verse sich in Kaysers Töne mengten und durch das Ohr und Herze drängten."

Nach dieser letzten Sternstunde äußerer Ereignisse verschlechterte sich Kaysers Gesund- heitszustand immer mehr. Wir entnehmen dem Nachruf: „Aber er beendete seine Tage, sein Fuß, dessen langsameren Schritt er lange beklagte, war von der Fäulnis so angefressen, daß er sich den einen oder anderen Zeh amputieren lassen mußte. Als aber das Leiden sich verschlimmerte, da hatte er an den Chirurgen genug; als schließlich noch der Krebs sein Inneres verwüstete, starb er unter Schmerzen inmitten seiner Brüder am l. März 1771 im Alter von 59 Jahren, nachdem er alles für sein Seelenheil fromm empfangen hatte."

In Anspielung seines Namens sagt Sebastan Sailer in seinem Nachruf: „In Wirklichkeit war Isfrid nahezu ein Cäsar unter den Musiken Schwabens, mag man ihn als Organist oder Komponist betrachten." Und zwanzig Jahre später urteilt J.F. Christmann: „Er war in allen Betracht ein besserer Tonsetzer zu seiner Zeit als es viele mitten in unsern schönen Musikzeiten sind; denn es fehlte seinen Kompositioner oft nichts, als die Tinte des welschen Geschmacks und hoher Geistesschwung." Was unsere drei Parthien anlangt, so können wir zumindest der ersten Einschränkung nicht zustimmen. Denn wir haben für sie die französischen und vielleicht auch italienischen Einflüsse, also des „Welschen", nachgewiesen. Daß gleichzeitig eine gewisse Unabhängigkeit und Originalität besteht, schätzen wir eher positiv.

Was den „hohen Geistesschwung" betrifft, so erhebt sich die Musik der Parthien sicher nicht zur Stufe der Genialität, übertrifft aber an Klangsinn, Esprit und Originalität manche frühe Haydn-Sonate. Was Isfrid Kayser mit den Parthien bezweckte (wenn er sie als Künstler nicht überhaupt zweckfrei komponiert hat) war wohl nicht mehr und nicht weniger, als angenehm und gemütsergötzend Spieler und Zuhörer zu unterhalten.

In den schnellen Sätzen funkeln die Geistesblitze einer geschliffenen Konversation, die langsamen rühren an das Gefühl, aber nicht allzusehr, um nicht durch Sentimentalität zu belästigen. Vielleicht hat Kayser nie wieder jenen hohen Grad von Zweckfreiheit und Schwerelosgkeit erreicht, als in diesen drei Parthien, jung und von Krankheit und institutionellem Auftrag unbehelligt, kühn das Neue suchend und entdeckend, dabei menschenfreundlich, menschennah, doch auch spielerisch und ironisch distanziert. Wer in der Musik irgendwelche bodenlosen Tiefen sucht, wie es gerade die deutschen Musikkritiker bei der möglichen und unmöglichen Gelegenheit unternehmen, und das Fehlen von Tiefe für einen Mangel an Qualität nehmen, der hat nicht begriffen, wie ergötzlich und labend eine schöne, glänzend ziselierte Oberfläche dem menschlichen Sinne sein kann.

© Wolfgang Weller 1986
redigiert 2021, im 250. Todesjahr Isfrid Kaysers

 

Bibliographische Angaben

Die Grundlage für die biographischen Angaben zu diesem Vortrag lieferte die Arbeit von Klaus Aßfalg aus dem Jahre 1971 an der Päd. Hochschule Weingarten (100 Seiten, maschinengeschrieben vervielfältigt); sie enthält auch viele Dokumente in Kopie. Weiter wurde herangezogen der Artikel „Isfrid Kayser“ aus „Musik in Geschichte und Gegenwart“ (MGG), dazu das Original der Kayser-Noten  bei Rieger  in  Augsburg 1746.

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