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Carl Czerny, Metronomzahlen
zu Johann Sebastian Bachs 15 Inventionen

“Collection complète pour le Piano des Oeuvres de J.S.Bach,
revue, corrigée et doigtée par C.Czerny” bei E.Girod, Paris, 1855.

Préface: "Enfin on doit faire remarquer à ceux qui n'ont pas un Métronome de Maelzel a leur disposition, que le mouvement de l'Allegro dans les compositions anciennes, soit etre considéré plus lent, et beaucoup plus calme, que dans les ouvrages modernes."

Nr. 01 Viertel = 138
Nr. 02 Viertel = 126
Nr. 03 punktierte Viertel = 92
Nr. 04 punktierte Viertel = 84
Nr. 05 Viertel = 144
Nr. 06 Achtel = 160
Nr. 07 Viertel = 138
Nr. 08 Viertel = 152
Nr. 09 Viertel = 126
Nr. 10 punktierte Viertel = 160
Nr. 11 Viertel = 120
Nr. 12 punktierte Viertel = 96
Nr. 13 Viertel = 126
Nr. 14 Viertel = 108
Nr. 15 Viertel = 120

 

Ergänzung:

Sechs Kleine Praeludien für Anfänger (Edition Girod, 1855)

Nr. 1 Allegro vivace, 4tel = 132 (Peters: Allegro, Viertel = 112)
Nr. 2 Allegro con moto, punktierte Halbe = 69 (Peters: Con moto, punktierte Viertel = 60)
Nr. 3 ?
Nr. 4 Allegretto quieto, Viertel = 92
(Peters: dto.)
Nr. 5 Allegro, Viertel = 126 (Peters: Allegretto, Viertel = 126)
Nr. 6 Allegro, punktierte Viertel = 80 (Peters: dto.)

Die Informationen zur heutzutage kaum mehr bekannten Edition bei E.Girod verdanke ich einer freundlichen Mitteilung von Lorenz Gadient, der mir auch Einsicht in den Band gewährte, der noch viele weitere von Czerny im metrischen Sinne metronomisierte Bach-Werke enthält.

Zum Vergleich:

“Oeuvres complètes” im “Bureau de Musique C.F.Peters”
mit Griepenkerl und Roitzsch 1837 (heute Verlagsnummer 201)

Nr. 01 Viertel = 120
Nr. 02 Viertel = 108
Nr. 03 punktierte Viertel = 80
Nr. 04 punktierte Viertel = 72
Nr. 05 Viertel = 108
Nr. 06 Achtel = 144
Nr. 07 Viertel = 112
Nr. 08 Viertel = 144
Nr. 09 Viertel = 116
Nr. 10 punktierte Viertel = 152
Nr. 11 Viertel = 108
Nr. 12 punktierte Viertel = 84
Nr. 13 Viertel = 104
Nr. 14 Viertel = 88
Nr. 15 Viertel = 104

 

Velocistaner, die Czernys Zahlen wörtlich nehmen wollen, weil sie die Tempo-Giusto-Praxis nicht kennen wollen, kennen doch das Motto: “Auf, auf, zum fröhlichen Jagen!” Es geht hurtig durch Fleiß...

Im Ernst: Jeder Klavierpädagoge ist doch froh, wenn seine 11-12jährigen Schüler das erste der kleinen Praeludien auf getickte Achtel ca. 100-112 rein und mit der rechten Artikulation spielen können. Von Metrum, Eurhythmie und anderen dergleichen schönen Dingen ganz zu schweigen.

Was Czerny unter Schnellspielen versteht, erhellt aus folgender Angabe: Ãœber seiner Etüde Nr. 17 aus dem Zyklus "Aufmunterung zum Fleiß" op. 684 steht als Titel und Aufgabenbezeichnung: "Ãœbung für schnelles Spiel". Die Vortragsbezeichnung heißt nun nicht etwa Presto oder wenigstens Allegro molto, sondern Allegretto! Die  linke Hand markiert das Metrum des 3/4-Taktes in Achteln (wie in der Tempo-Giusto-Praxis üblich), die rechte spielt zumeist 16tel-Sextolen dazu. Dem musikalischen Kontext ist eindeutig zu entnehmen, dass die Vortragsbezeichnung Allegretto sich auf die Achtel bezieht.

 

2 Zitate aus Carl Czerny, Klavierschule op. 500, 7tes Kapitel, §§ 3, 5

  • Wenn daher zum Beispiel die Vorzeichnung kommt: M.M. 4tel = 112, so rückt man das mettallene, an der vordern mit Einschnitten versehenen Stange angebrachte Dreick genau auf jenen Einschnitt, der mit der rückwärts befindlichen Zahl 112 in einer Linie steht, lässt die Stange frei schlagen, und spielt jede V i e r t e l n o t e genau nach den hörbaren Schlägen des Metronoms.

    (Unterstreichung durch W.W. - beachtenswert die Diskrepanz zwischen dem  Singular “Viertelnote” und dem Plural “Schlägen”)
     
  • Für diejenigen, leider sehr zahlreichen Spieler, welche sich das Ãœbereilen des Tempo und Taktlosigkeit angewöhnt haben, gibt es kein besseres Mittel als das Metronom.

    (Kommentar W.W.: Vielleicht können die Velociferischen uns erklären, wie man Czernys Metronomzahlen noch “übereilt”?)

 

Carl Czernys “Schule der Geläufigkeit”

Im Folgenden das Vorwort zu Carl Czerny’s “Schule der Geläufigkeit” op. 299. Man beachte den Hinweis am Schlusse des Textes und spiele danach einige Etüden durch. Dann wird klar, was der Komponist unter “sehr schnellem Tempo” versteht. Eine wörtliche Umsetzung der Metronomzahlen ist weder unter dem rein mechanischen und noch viel weniger unter dem Gesichtspunkte der schönen Vortragsregeln möglich. Man fasse die Metronomzahlen metrisch auf, und man wird die selbst in diesen klaviertechnisch gemeinten Ãœbungen noch verlangte Dynamik, Artikulation, Metrik und Phrasierung  darstellen können.

Ãœbrigens hat Czerny die Waldstein-Sonate dem Komponisten zu dessen Zufriedenheit aus dem Manuskript “a vista” (vom Blatt weg) vorgespielt. Czerny schreibt (“Ãœber den richtigen Vortrag der sämtlichen Beethoven’schen Klavierwerke”, Kapitel 2 des IV. Bandes der “Vollständigen theoretisch-practischen Pianoforte-Schule op. 500”) die Metronomzahl 88 für die Halbe  vor...

Ein Gegner der Tempo-Giusto-Praxis (einer aus dem hintersten Velocistan) behauptete, bei stillstehender Hand praktisch unbeschränkte Geschwindigkeiten produzieren zu können. Bei den Velociferischen ist damit wohl demnächst die Überschreitung der Schallmauer zu befürchten. Eigentlich könnte sich der betreffende Herr doch gleich auf seine Tastatur s e t z e n und hätte sein Geschwindigkeitsideal vollkommen erreicht. Man bedenke: alle Töne eines Stückes auf einmal - einfach unschlagbar!

Wie sagte doch der göttliche Mozart: “So spielen und sch... ist bei mir einerlei!”

Die neuzeitlichen Schnellst-Spieler der sogenannten ernsthaften Musik erscheinen uns als Gewaltmusikanten, ähnlich den elektronisch verstärkten Fortisten bestimmter “Musik”-Richtungen, denen wir nicht die Ehre antun wollen, sie genauer zu benennen. Immerhin: es gibt bereits Vereine gegen Gewaltmusik.

 

VORWORT CARL CZERNYS ZUR
“SCHULE DER GELÄUFIGKEIT”

“Unter den unerlässlichen Eigenschaften, welche der Klavierspieler besitzen muss, wenn er sich über das Mittelmässige emporheben will, ist die wahre und regelmässige Geläufigkeit der Finger, auch in der schnellsten Bewegung, eine der nothwendigsten, und bei jedem Schüler so frühzeitig als möglich zu entwickeln. Nur wenn dem Pianisten jeder Grad von Geschwindigkeit ungezwungen zu Gebote steht, wird er im Stande sein, auch die andern Vortrags-Gattungen mit wahrer Vollendung auszuführen - so wie die Geschmeidigkeit der Zunge eine Hauptbedingung ist, um sich in einer Sprache schön und gut auszudrücken.

Nachstehende Ãœbungen haben ausschliesslich den Zweck, diesen Zweig der Virtuosität zu entwickeln, zu vermehren, und auch für die Folge zu bewahren, wenn sie, (nach vollendeter gründlicher Einübung derselben) in dem überall angezeigten sehr schnellen Tempo, mit Beachtung aller übrigen Regeln des schönen und richtigen Vortrags, (Hervorhebung durch W.W.) täglich vor allem Andern durchgespielt werden.”

© 2003-2008 Wolfgang Weller